Datteln – Das Brot der Wüste

Phoenix dactylifera: so mythisch wie der berühmte Vogel aus der Asche klingt der botanische Name der Dattelpalme. Sie ist eine 5000 Jahre alte Pflanze, die in den heissen und extrem

trockenen Ländern zu Hause ist und deren Früchte die Urvölker der Wüste das Brot der Wüste nannten. Durch die Dattelfrucht war das Überleben auch in unwirtlichen Regionen gesichert. Dattelpalmen haben seit jeher die Fantasie des Menschen beflügelt, denn bei dem Genuss von Datteln schweifen die Gedanken zu den Oasen der endlosen, sandigen Wüsten und zu den imaginären Klängen des Orients. Das Märchen von der Dattelpalme und der Ziege ist eine der ältesten Sagen, die in Persiens Pahlavi-Sprache von der alten iranischen Kultur zeugt. Dabei geht es um einen verbalen Wettstreit zwischen einer Dattelpalme und einer Ziege. Es gilt, die Überlegenheit der eigenen Fähigkeiten und Nützlichkeiten zu beweisen.

Nach vielen Argumenten und Gegenargumenten siegt am Ende die Ziege, weil sie sich bewegen kann, während die Dattelpalme an die Erde gebunden ist. In Sprüchen und Lebensweisheiten der Völker des Nahen und Mittleren Ostens wird der Phoenix dactylifera oft gehuldigt.

«Die Datteln sind reif abzubrechen», sagen die Araber, wenn sie ausdrücken wollen, dass ein günstiger Augenblick für eine Handlung oder für eine Unternehmung gekommen ist. Diese Weisheit zeigt, welche Bedeutung dieser Baum mit seinem schlanken Stamm und seinem imposanten Federbusch in ihrer Geschichte hat. Dattelfrüchte waren schon im Altertum bekannt und seither fester Bestandteil von Religion und Geschichte. Einer alten Sage nach soll Allah bei der Erschaffung des Menschen auszwei übrig gebliebenen Lehmstücken das Kamel und die Dattel erschaffen haben. In der Bibel ist die Dattelpalme als Baum des Lebens das Symbol für Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit. Im alten Ägypten schrieb man der Dattelpalme die Gabe der Fruchtbarkeit zu. Die Karthager prägten sie auf ihre Münzen und bei Griechen und Römern war sie das Symbol des Siegers. In der Moderne bedienten sich selbst berühmte Musiker der Faszination dieser exotischen Frucht: «Aranci, datteri» – Orangen, Datteln – singen im zweiten Akt von Puccinis La Bohème die Strassenverkäufer. Die Dattel, das wunderbare Geschenk der Natur, gehört zu den ersten Früchten, die kultiviert wurden. Anfänglich mit Mühe, da die Dattelpalme eine diözische Pflanze ist, das bedeutet, dass sie entweder männlich oder weiblich ist und dementsprechend weibliche Blüten oder männliche Pollen trägt. Weil der Wind die Bestäubungsfunktion übernimmt, ist in einem Hain eine gleiche Anzahl von fruchttragenden weiblichen wie fruchtlosen männlichen Bäumen notwendig. Diese natürliche Befruchtung erwies sich bald als unwirtschaftlich, deshalb trugen die Oasenbewohner die Pollen von den männlichen zu den weiblichen Blüten, um deren Befruchtung zu fördern.

Heute sind weltweit mehr als 1500 Dattelsorten bekannt, die sich durch ihr Fruchtfleisch, ihre Farbe, ihren Zuckergehalt und ihr Aroma unterscheiden. Sie werden mit modernen Techniken kultiviert, geerntet und auf den internationalen Märkten gehandelt. Die meisten Dattelpalmen tragen saftige, zuckerreiche, dickfleischige Früchte, die sowohl getrocknet als auch frisch verzehrt werden. Das Wort Dattel stammt vom Griechischen dactylos – Finger – ab, und ist eine Anspielung auf die lang gestreckte Form der Frucht. Diese enthält neben Zucker, Mineralstoffen und Spurenelementen grosse Mengenvon Kalzium, Magnesium und Eisen.

Die bekanntesten Dattelsorten sind: Medjool, Deglet Nour, Ameri, Deri, Halawi und Zahidi, Berhi und Hiann. Sie unterscheiden sich aufgrund ihrer Formen, Farben und ihres Geschmacks.

Von rund bis oval, von blond bis dunkelbraun, von sandfarbig bis gelb-orange besitzen die Datteln, je nach Sorte, eine erstaunliche Aromenvielfalt, die an Mokka, Karamell, Nougat, Schokolade, Vanille oder sogar an Marzipan erinnert.

Datteln sind auch heute noch die klassische Nahrung der Wüstennomaden, denn sie sind lange haltbar und selbst bei Erschöpfung gut zu essen, weil sie weich, feucht und dazu leicht verdaulich sind. In Westeuropa kennt man die Früchte meistens in getrockneter Form. Vollständig ausgereift und von Zuckerbäckern veredelt, wird sie zur wahren Verführung. Die Dattel ist ein Allrounder, ob als Zwischenmahlzeit, als Energiespender beim Sport, als Zutat zum Fruchtsalat, mit Frischkäse gefüllt oder als Bestandteil einer Torte. Datteln schmecken einfach köstlich!

Gianni Lorenzo Lercari

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